Fachkräftemangel?

Impulse zum Gewinnen und Binden von Mitarbeitern aus der Rubrik People & Culture

Eine klassische Arbeitswoche hat 5 Tage. Das geht auf eine Regelung für Fabriken von 1918 zurück. Zu dieser Zeit waren 60 Arbeitsstunden pro Woche der Standard. Auch wenn heute eine 40-Stunden-Woche als Norm gilt, basiert die 5-Tage-Woche weiterhin auf einer über 100-jährigen Tradition. Eine aktuelle Umfrage unter 2.000 britischen Büroangestellten zeigt, dass die Mehrheit nur knapp drei von acht Stunden produktiv arbeitet.

Gleichzeitig leiden viele Kanzleien unter Fachkräftemangel. Für sie scheint der Markt wie leergefischt zu sein. Unterdessen wechseln immer mehr Menschen ihre Jobs. Es gibt immer mehr Fachkräfte auf der Suche nach attraktiven Arbeitgebern. Laut einer Forsa-Studie im Auftrag von XING sind 37 Prozent wechselwillig; bei einem guten Angebot.

Ich möchte Ihnen hier sechs Angebote vorstellen, die ich bereits selbst umgesetzt habe, um im Kampf um Talente gegen die großen Player zu bestehen. Sie werden damit Erfolg haben – wenn Sie folgende Hinweise beherzigen:

  • Seien Sie radikal in Ihren Entscheidungen, denn die „Softvariante“ haben Sie sicherlich schon versucht.
  • Werden Ihre Entscheidungen sofort zum Erfolg führen? Freilich nicht. Sie wollen Ihr Unternehmen für die Zukunft fit machen und nicht nur die „tiefhängenden Früchte“ mitnehmen, oder?
  • Bieten Sie etwas, was sonst kein anderer bietet. Zeit, Flexibilität, Wahlmöglichkeiten und Gesundheit sind die neue Währung und integraler Bestandteil von Vergütung. Mehr Freizeit bedeutet mehr persönliches Glück und damit mehr Energie für die Arbeit.
  • Stellen Sie den Menschen in den Mittelpunkt. Geben die das Gefühl, dass Sie sich für den Menschen und dessen Bedürfnisse interessieren.
  • Wenn Sie das nicht machen, verpuffen alle Maßnahmen und die Fluktuationskosten steigen.

Bieten Sie folgendes und Sie können sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren:

1# Immer langes Wochenende (3 Tage)

Immer drei Tage Wochenende oder ein zweites Wochenende pro Woche (z. B. mittwochs). Führen Sie es für Mitarbeiter ein, die dieses wollen und bitte verabschieden Sie sich vom Gießkannenprinzip. Vielleicht wollen einige Mitarbeiter nur ein zusätzliches langes Wochenende pro Monat, weil sie sich sonst als Mitarbeiter zweiter Klasse fühlen. Innere Zufriedenheit und Produktivität werden gesteigert und einen großen Teil der Investition wieder reinholen. Sie kennen es sicherlich, Ihre beste Kraft wird zwei durchschnittliche Mitarbeiter aufwiegen. Gewinnen Sie mit diesem Modell einen Leistungsträger, kann Ihnen der geschenkte Tag egal sein. Ihre Mitarbeiter arbeiten jetzt nicht mehr dauerhaft an der Belastungsgrenze und sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, sowie meiner Erfahrung nach, pro Stunde produktiver. Sie sind weniger krank und bilden eine stille Reserve, um neue Mandate anzunehmen. Sie können temporär auf 100 Prozent hochfahren, bis Sie neue Mitarbeiter gefunden und eingearbeitet haben. Dieser radikale Schritt wird magnetisch auf Talente wirken.

2# Bieten Sie Optionen und „frische Mitarbeiter“

Es sind die vielen Optionen und Wahlmöglichkeiten, mit denen die jüngere Generation aufgewachsen ist. Stellen Sie mehr Zeit für Familie, Hobbys oder auch für Sie selbst zur Verfügung. Machen Sie sich klar, dass dieses Signal bei Ihren Mitarbeitern direkt und ungefiltert ankommt. Im herkömmlichen Modell war es oft so, dass Gewinner in der Arbeitswelt einen Preis im privaten zahlen mussten. Die heutige Generation ist dazu nicht mehr bereit. Sie wollen in beiden Welten zu den Gewinnern zählen. Verstehen Sie es nicht falsch: Die jungen Menschen sind bereit hart zu arbeiten und zudem unternehmerisch zu agieren – nur in einem klar abgegrenzten Zeitfenster.

Stellen Sie Ihren Mitarbeitern frei, wann, wie oft und wie lange sie im Homeoffice, in der Kanzlei oder auf der ganzen Welt in Form des mobilen Arbeitens tätig sein wollen. 30 Urlaubstage sind Standard. Bieten Sie zusätzliche Optionen mit 40 und 50 Urlaubstagen. Im Tausch gegen Gehalt können jährlich oder dauerhaft 10 oder 20 Urlaubstage hinzugebucht werden. Auch dieses Signal kommt direkt und ungefiltert auf dem Arbeitsmarkt an.

Drehen Sie den Spieß um: 2010 habe ich mit einer großen Drogeriekette ein IT-Projekt verhandelt, in dem wir vertraglich verpflichtet wurden, dass kein Programmierer mehr als acht Stunden täglich und nicht mehr vierzig pro Woche arbeitet. Der Kunde wollte durchgehend exzellente Leistung. Für mangelnde Kreativität, fehlende Motivation oder Fehler wollte er nicht bezahlen. Es gab nur Gewinner: Keine Überstunden bei den Programmierern, gestiegene Produktivität, einfachere Gewinnung und Bindung der seltenen IT-Experten und durchgängig exzellente Leistung bei Kunden.

Dies kann nahtlos auf den Rechtsmarkt übertagen werden, bei dem nach Möglichkeit jede Stunde der Arbeitszeit abgerechnet werden sollte. Ganz im Ernst: Unsere Mandanten sind erfolgreiche Unternehmer. Sie wollen genauso wenig überarbeitete und gestresste Anwälte für sich arbeiten lassen. Warum drehen Sie den Spieß nicht um und werben aktiv mit motivierten und fitten Anwälten? Damit grenzen Sie sich an zwei Fronten im Markt ab.

3# Locken Sie Auszubildende mit Zusatzqualifikationen

Der CFO fragt den CEO: ‚Was passiert, wenn wir unsere Mitarbeiter weiterbilden und dann verlassen sie uns?‘ Der CEO antwortet: ‚Was passiert, wenn wir dies nicht tun und sie bleiben?‘.

Anders gesagt: Weiterbildung ist teuer, doch keine Weiterbildung wird noch teurer. Bilden Sie Ihre Fachkräfte für alle relevanten Zukunftsthemen selbst aus. Der Beruf des Rechtsanwaltsfachangestellten ist nun nicht besonders attraktiv. Werben Sie damit, dass Auszubildende bei Ihnen eine Zusatzqualifikation nach Wahl und Neigung erhalten, wie z. B. Social Media Management oder Digital Workspace Management.

Lassen Sie Anwälte für ein Jahr ins Ausland gegen und einen LL.M. absolvieren; gern im Bereich der Zukunftsthemen, um die digitalen Geschäftsmodelle der Mandanten zu verstehen und diese als Sparringspartner begleiten zu können. Je nach Master-Programm kann der Mitarbeiter parallel weiter für Sie tätig sein.

Investieren Sie in die Zukunftsfähigkeit Ihrer Kanzlei. Bilden Sie aus und weiter. Am Markt werden alle Schlüsselqualifikationen zunehmend schwerer erhältlich sein.  

#4 Mentales Wohlbefinden: Betriebspsychologin für alle Lebensfragen

Bieten Sie echte Hilfestellung. Unsere Mitarbeiter haben nicht erst seit Corona unbearbeitete Lebensfragen (Zukunftsangst, Lebenspartner in Kurzarbeit, Tod- und Krankheit in der Familie, Mobbing-Themen der Kinder in der Schule, Belastungen in der eigenen Beziehung und fortgeschrittene psychische Fragestellungen). Selbst bei ernsthaften Arbeitsausfällen ist die Verfügbarkeit von Therapeuten und Psychologen stark eingeschränkt. Unternehmen, die hier echte Hilfestellung bieten, haben ein echtes Alleinstellungsmerkmal!

Die ersten Erfahrungen in der Kanzleiwelt sind bemerkenswert. Mitarbeiter fallen weniger aus und sind mit ihren Gedanken nicht bei unbearbeiteten persönlichen Fragestellungen. Sie sind dauerhaft stabil und konzentriert bei der Arbeit. Werden Themen nicht bearbeitet, kann es plötzlich zu spät sein und ein Rechtsanwalt fällt über Monate aus oder arbeitet dauerhaft unter seinen Möglichkeiten. Diese Kosten gilt es zu vermeiden. Es gibt erste Unternehmen, die diese Option bereits auf Angehörige der Mitarbeiter ausdehnen. Beständig leistungsfähige Mitarbeiter stellen Ihren Umsatz sicher.

#5 Was Mitarbeiter wirklich glücklich macht

Abseits der Möglichkeit sich selbst zu verwirklichen, muss es „flutschen“. Wenige Aufgaben sind spannend und lösen Begeisterung aus. Vielmehr ist entscheidend, dass es zu wenig Unterbrechungen und Störungen im Arbeitsprozess kommt, wie oft durch IT-Probleme und unstrukturierte Arbeitsprozesse und Vorgesetzte. Mitarbeiter wollen einfach ihre Arbeit erledigen und am Ende des Arbeitstages etwas geschafft haben. Nur dann stellt sich ein Gefühl der Zufriedenheit ein; nämlich nach der Arbeit. Entsprechend kommen Mitarbeiter immer wieder gern zur Arbeit. Sprechen Sie regelmäßig mit Ihren Mitarbeitern. Welche Arbeitsprozesse und Kanzleiabläufe können optimiert werden? Wo kommt es wiederholt zu Verzögerungen? Es ist eine elementare Führungsaufgabe Ihren Mitarbeitern alle Steine aus dem Weg zu rollen, damit sie produktiv arbeiten können; sofern es die Mitarbeiter nicht selbst in der Hand haben.  

#6 Mitarbeiterempfehlungen

Sichtbarkeitist eines der größten Probleme in der Mitarbeitergewinnung, und das hat sich in den letzten Jahren auch nicht verändert. Die Lösungsmöglichkeiten würden ein ganzes Kapitel füllen. Gern können Sie mich dazu ansprechen. An dieser Stelle können Quick-Wins durch Mitarbeiterempfehlungen erzielt werden. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter konkret nach Empfehlungen, um das Team zu verstärken. Haben Sie die obigen Punkte umgesetzt, sollte es ein Leichtes sein, Empfehlungen zu erhalten. Spannende Prämien wie ein Wellnessurlaub für zwei Personen oder das neuste iPhone mit Vertrag wirken an dieser Stelle förderlich. 

Fazit

Das Motto lautet mutige Veränderung. Entwickeln Sie Ihre Kanzlei aktiv und radikal weiter, bevor Sie zur Veränderung gezwungen werden. Jetzt besteht die Chance, aktiv zu gestalten und ein Vorreiter in der Branche zu sein. In den kommenden Jahren werden Ihre Mitbewerber Sie durch ihr Handeln noch mehr unter Druck setzen.

Betrachten Sie meinen Beitrag bitte als Aufruf in den Austausch zu gehen. Die Relevanz von Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung für den Geschäftserfolg wird zunehmen und ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich freue mich auf Ihre Resonanz.

Autor:

Kai Hinrichsen ist Managing Direktor bei der Mitgliedskanzlei Bartsch Rechtsanwälte und Head of People & Culture bei der Steuerboutique Bartsch Steuerberater. Kai.hinrichsen@bartsch.law

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