Kürzung des Urlaubs wegen Elternzeit

Ob Arbeitgeber den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern in der Elternzeit rechtmäßig kürzen dürfen, war bis zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts am 19.03.2019 – 9 AZR 362/18 – unklar. Nunmehr ist sicher: Arbeitgeber dürfen kürzen!

Im vergangenen Jahr musste sich sowohl das Landesarbeitsgericht Hamm als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) befassen. Die jeweils klagenden Arbeitnehmerinnen waren der Auffassung, die Kürzung ihres Urlaubsanspruchs um 1/12 pro vollen Monat der Elternzeit verstoße gegen Europarecht (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 31.01.2018 – 5 Sa 625/17, LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.06.2018 – 3 Sa 42/18).

Beide Landesarbeitsgerichte konnten keine Europarechtswidrigkeit feststellen, ließen aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zu. Der Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm wurde jetzt vom Bundesarbeitsgericht rechtskräftig entschieden.

Das BAG hat entschieden, dass der jährliche Urlaubsanspruch nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) auch während der Elternzeit entsteht, obwohl das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit ruht. Nach § 17 Abs. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch aber für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Dies geht nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeit arbeitet.

Möchte der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 BEEG Gebrauch machen, muss er dies dem Arbeitnehmer mitteilen und diese Erklärung muss dem Arbeitnehmer auch zugehen. Die Mitteilung ist an keine bestimmte Form gebunden, eine Dokumentation gegen Empfangsquittung ist indes zu empfehlen. Im Streitfall muss der Arbeitgeber nämlich den Zugang der Erklärung beweisen.

Nicht erforderlich ist, dass sich der Arbeitgeber ausdrücklich auf sein Kürzungsrecht oder gar § 17 Abs. 1 BEEG bezieht. Es genügt vielmehr, wenn der Arbeitgeber in seiner Mitteilung erkennen lässt, dass er von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will, etwa weil er die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs schlicht ablehnt.

Das BAG stellt ferner klar, dass die Kürzungsmöglichkeit auch den übergesetzlichen Urlaub erfasst. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien für den vertraglichen Mehrurlaub eine von § 17 Abs. 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben und eine Kürzungsmöglichkeit für den vertraglichen Mehrurlaub ausschließen oder im Vergleich zu § 17 Abs. 1 BEEG reduzieren. Dies ist jedoch aktuell unüblich. Gleiches dürfte im Übrigen für tariflichen Mehrurlaub gelten.

Schließlich stellt das BAG klar, dass die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nicht gegen Europarecht, und zwar weder gegen den Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Art. 7 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG, noch gegen § 15 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU, verstößt.

Arbeitgeber, die Urlaubsansprüche um 1/12 pro vollen Monat der Elternzeit kürzen möchten, können dies daher nun rechtssicher durch entsprechende Erklärung gegenüber dem jeweiligen Arbeitnehmer tun.

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber die Kürzungserklärung jedenfalls vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgibt, da § 17 Abs. 1 BEEG auf den Urlaubsabgeltungsanspruch keine Anwendung findet (vgl. BAG, Urteil v. 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13). Unerheblich hingegen ist, ob die Erklärung vor, während oder nach Beendigung der Elternzeit abgegeben wird.

Praxistipp – Was muss getan werden?

  1. Kürzung um 1/12 für jeden vollen Monat der Elternzeit muss dem Arbeitnehmer gegenüber deutlich erklärt werden. Formerfordernisse bestehen für die Kürzungserklärung nicht. Aus Nachweis- und Beweisgründen sollte die Kürzung jedoch schriftlich erfolgen.
  2. Die Kürzungserklärung muss dem Arbeitnehmer zugehen. Der Nachweis sollte zu Dokumentations- und Beweiszwecken – wie auch bei einer Kündigungserklärung – sichergestellt werden.
  3. Die Kürzungserklärung muss dem Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugehen. Unerheblich ist, ob die Erklärung vor, während oder nach Beendigung der Elternzeit abgegeben wird. Eine rechtswirksame Kürzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ausgeschlossen.

Mike Bogensee, LL.M. (London)
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Flensburg
Kontakt: mike.bogensee@eep.info

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